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Frère Alois, der Nachfolger Frère Rogers, würdigte mit folgendem Text das hingegebene Leben des Gründers der Communauté de Taizé.


Der Heimgang Frère Rogers hinterließ eine große Leere. Sein tragischer Tod hat uns bestürzt. Die Zeit danach war für uns Brüder der Communauté erfüllt von tiefer Dankbarkeit für das, was er uns hinterlassen hat.

Unzählige Menschen auf der ganzen Welt teilten unsere Dankbarkeit. Dies gab uns Kraft. Wir fühlten uns von Gott getragen. Unsere kleine Communauté konnte in dieser Zeit eine Erfahrung der ersten Christen teilen, nämlich „ein Herz und eine Seele“ zu sein (Apg 4,32).

Für Frère Roger war die Suche nach Versöhnung zwischen den Christen nicht zuerst eine intellektuelle Angelegenheit, sondern etwas Selbstverständliches. Es kam ihm vor allem darauf an, das Evangelium zu leben und es anderen weiterzugeben. Doch das Evangelium kann nur in Gemeinschaft gelebt werden.

Schon als Jugendlicher war Frère Roger zu der Überzeugung gelangt, dass gelebte Gemeinschaft ein Zeichen der Versöhnung sein kann, dass ein konkretes Leben zu einem Zeichen werden kann. Deshalb wollte er Menschen um sich sammeln, denen es zuallererst um Versöhnung geht: Darin liegt die ursprüngliche Berufung von Taizé, ein – wie er es ausdrückte – „Gleichnis der Gemeinschaft“ zu sein, ein kleines, sichtbares Zeichen der Versöhnung.

Frère Roger stammte aus einer evangelischen Familie, doch in den Kirchen der Reformation gab es damals kein monastisches Leben mehr. So hat er, ohne seine Herkunft zu verleugnen, eine Gemeinschaft von Brüdern ins Leben gerufen, deren Wurzeln in der ungeteilten Kirche liegen und damit über den Protestantismus hinausgehen. Die Communauté stellt bereits als solche eine unauflösliche Verbindung zur katholischen und orthodoxen Tradition dar. Zu Beginn der 1970er Jahre waren die Grundlagen gelegt und die ersten katholischen Brüder der Communauté beigetreten. Noch bis zu seinem letzten Atemzug hat Frère Roger unsere Gemeinschaft schöpferisch gestaltet.

Über seinen persönlichen Weg hat er einmal gesagt: „Das Lebenszeugnis meiner Großmutter hat mich so geprägt, dass ich schon in jungen Jahren meine Identität als Christ darin gefunden habe, in mir den Glauben meiner Herkunft mit dem Geheimnis des katholischen Glaubens zu versöhnen, ohne mit irgendjemandem die Gemeinschaft zu brechen.“

Das Erbe, das Frère Roger uns hinterlassen hat, ist enorm und es ist ein lebendiges Erbe. Vieles hat er schriftlich festgehalten. Allerdings hielt er es immer wieder für notwendig, diese seine Schriften den neuen Gegebenheiten anzupassen. Selbst die Regel der Communauté, den für unser gemeinsames Leben grundlegenden Text, hat er mehrere Male überarbeitet. Es war, als wollte er uns dazu bringen, uns nicht an Buchstaben oder an bestimmte Strukturen zu klammern, sondern uns stets dem Atem des Heiligen Geistes zu überlassen.

Durch seinen Geist ist Gott in jedem Menschen gegenwärtig. Frère Roger trug alle Menschen aus allen Völkern in seinem Herzen, vor allem die Jugendlichen und die Kinder. Er besaß eine Leidenschaft für Gemeinschaft und sagte oft: „Christus ist nicht auf die Erde gekommen, um eine neue Religion zu gründen, sondern um allen Menschen eine Gemeinschaft in Gott zu eröffnen.“ Diese einzigartige Gemeinschaft, die Kirche, ist für ausnahmslos alle Menschen da.

Frère Roger lag viel daran, jungen Menschen diese Gemeinschaft zugänglich zu machen und ihnen die Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Ihm war bewusst, dass das Bild von Gott als strengem und furchteinflößendem Richter eines der größten Hindernisse war. Ihm wurde immer klarer: Gott kann nur lieben. Und Frère Roger tat alles, um dies durch sein Leben zum Ausdruck zu bringen. Der orthodoxe Theologe Olivier Clément bemerkte, dass Frère Roger, indem er so beharrlich von der Liebe Gottes sprach, eine ganze Ära beendete, in der man in den verschiedenen christlichen Konfessionen Angst vor einem strafenden Gott hatte.

Frère Roger war in seiner Jugend Christen begegnet, die überzeugt waren, dass das Evangelium den Glaubenden mit Strenge schwere Lasten auferlegt. Dies machte es ihm immer schwerer zu glauben und er begann zu zweifeln. Gott zu vertrauen war für ihn zeit seines Lebens ein wahrer Kampf. Seine Offenheit gegenüber der jungen Generation und sein Wunsch, Jugendlichen zuzuhören, stammen unter anderem aus diesem inneren Kampf. Er sagte, er wolle „versuchen, alles vom Anderen zu verstehen.“

Viele Jugendliche sahen in ihm einen Menschen, der stets bereit war, auch dem Einzelnen zuzuhören. Er tat dies jeden Abend nach dem gemeinsamen Gebet, oft stundenlang. Als ihm schließlich die Kraft fehlte, blieb er auch weiterhin abends in der Kirche und segnete ganz einfach alle, die zu ihm kamen, indem er ihnen die Hand auflegte.

Bis zum Ende seines Lebens ging er uns mit außergewöhnlichem Schwung und Mut auf dem Weg der Offenheit voran. Keine äußere Not oder moralische Situation konnten ihn so schrecken, dass er sich abgewandt hätte. Frère Roger eilte zu Hilfe! Mehr als einmal beschäftigte ihn eine bestimmte Situation derart, dass er alles andere um sich herum vergaß. Er war wie der Hirte im Gleichnis Jesu, der neunundneunzig Schafe zurücklässt, um das eine zu suchen, das verloren gegangen war.

Wenn man mit seiner Schwester Geneviève sprach, fiel auf, wie ähnlich sich beide waren. Wie ihr Bruder vermied auch sie jedes harte und verurteilende Wort. Diese Haltung ging auf ihre Familie zurück, besonders auf die außergewöhnliche Mutter. Ein solcher Wesenszug hat natürlich zwei Seiten, aber entscheidend ist, dass Frère Roger mit dieser Gabe schöpferisch umging! Wir Brüder haben miterlebt, dass sie ihn manchmal bis an die Grenzen dessen führte, was ein Mensch aushalten kann.

Frère Roger besaß ein allen zugewandtes Herz und eine Güte, die staunen ließ. Güte des Herzens ist aber kein leeres Wort, sondern eine Kraft, die die Welt verändert, weil Gott durch sie am Werk ist. Angesichts des Bösen ist die Güte des Herzens verletzlich; aber das hingegebene Leben Frère Rogers ist ein Unterpfand dafür, dass der Frieden Gottes jedem Menschen auf der Erde gilt.

Er wollte Barmherzigkeit stets konkret leben, besonders gegenüber Menschen in Armut. Frère Roger zitierte immer wieder die Worte des Augustinus: „Liebe und sage es durch dein Leben.“ Dies veranlasste ihn manchmal zu überraschenden Gesten. Einmal kam er von einer Reise nach Kalkutta mit einem Baby auf dem Arm zurück, einem kleinen Mädchen, das ihm Mutter Teresa in der Hoffnung anvertraut hatte, dass es in Europa überleben würde, was auch der Fall war. Im Dorf Taizé fand er Platz für Witwen aus Vietnam und deren zahlreiche Kinder, die er in einem Flüchtlingslager in Thailand kennengelernt hatte.

Frère Roger wollte konkret sein. Dies spiegelte sich auch in seiner Fähigkeit wider, einen Raum schön zu gestalten. Er wollte keine neuen Häuser bauen, und wenn es unvermeidlich war, dann sollte alles sehr schlicht, sehr niedrig und möglichst aus gebrauchtem Material sein. Als in Taizé eine neue Kirche gebaut werden musste, konnte er sich mit dem Vorhaben lange nicht anfreunden und gestaltete die Kirche im Laufe der Jahre auch mehrmals um. Es machte ihm Freude, Räume zu verändern und mit wenigen Elementen etwas Schönes zu schaffen. Dies konnte ich sogar in Mathare Valley, einem Elendsviertel in Kenia, beobachten, in dem wir mehrere Wochen lebten und in dem danach einige unserer Brüder mehrere Jahre verbrachten. Es gelang ihm, unsere arme Hütte mitten im Elend mit fast nichts einzurichten und wie er sagte: „Alles zu tun, um den Menschen um uns herum das Leben schön zu machen.“

Frère Roger bezog sich oft auf die Seligpreisungen und sagte manchmal von sich selbst: „Ich bin ein Armer.“ Er erinnerte uns Brüder immer wieder daran, dass wir keine geistlichen Meister sind, sondern vor allem Menschen, die zuhören. Er bezeichnete sein Dienstamt des Priors als das eines „armen Dieners der Gemeinschaft in der Communauté.“ Seine Verletzlichkeit hat er nie versteckt.

Heute spüren wir, dass unsere kleine Communauté den Weg weitergehen muss, den Frère Roger uns aufgetan hat. Es ist ein Weg des Vertrauens. Das Wort „Vertrauen“ war für ihn nicht leicht dahingesagt. Es ruft uns auf, die Liebe Gottes zu jedem Menschen in aller Einfachheit anzunehmen, aus ihr zu leben und das Wagnis auf sich zu nehmen, das damit verbunden ist.

Wenn wir dies aus dem Blick verlören, legten wir denen eine Last auf, die kommen und lebendiges Wasser suchen. Der Glaube an diese Liebe ist etwas ganz einfaches, so einfach, dass alle ihn annehmen können. Und dieser Glaube versetzt Berge! So können wir trotz Zerrissenheit, Gewalt und Konflikten mit Hoffnung auf die Welt schauen.

Frère Alois



In vielen Beileidsschreiben, die wir im August 2005 bekommen haben, wurde Frère Rogers Tod mit dem Tod Martin Luther Kings, Bischof Oskar Romeros oder Mahatma Gandhis verglichen. Man kann dennoch nicht verleugnen, daß es auch einen Unterschied gibt. Jene Männer standen nämlich in einem ursächlich politischen, ideologischen Kampf und wurden durch Gegner getötet, die ihre Anschauungen und ihren Einfluß nicht ertragen konnten.

Manche werden sagen, daß es sich erübrigt, eine Erklärung für die Ermordung Frère Rogers zu suchen. Das Böse hält stets jeder Erklärung stand. Ein Gerechter im Alten Testament sagte, daß man ihn „grundlos“ haßt, und Johannes legte die selbe Aussage Jesus in den Mund: „Sie haben mich ohne Grund gehaßt“.

Im Zusammenleben mit Frère Roger hat mich indessen eine Seite seiner Persönlichkeit immer beeindruckt, und ich frage mich, ob diese Seite nicht erklärt, warum er zur Zielscheibe wurde. Frère Roger war ein unschuldiger Mensch. Nicht, daß kein Fehl in ihm gewesen wäre. Aber für einen Unschuldigen haben die Dinge eine Offensichtlichkeit und Unmittelbarkeit haben, die sie für die anderen nicht besitzen. Für einen unschuldigen Menschen ist die Wahrheit offensichtlich. Sie hängt nicht von Überlegungen ab. Er „sieht“ sie sozusagen, und es fällt ihm schwer, sich darüber klar zu werden, daß andere einen mühevolleren Zugang haben. Was er sagt, ist für ihn einfach und klar, und er ist erstaunt, daß die anderen es nicht ebenso empfinden. Man begreift unschwer, daß er oft wehrlos dasteht oder sich verletzlich fühlt. Seine Unschuld hat im Allgemeinen jedoch nichts Naives. Für ihn ist das Wirkliche nicht von derselben Undurchdringlichkeit wie für die anderen. Er „blickt durch“.

Ich nehme das Beispiel der Einheit der Christen. Für Frère Roger war es offensichtlich, daß es möglich sein müßte, diese Einheit, wenn sie von Christus gewollt wurde, unverzüglich zu leben. Die Gegenargumente, die man ihm vorhielt, mußten ihm künstlich erscheinen. Für ihn war die Einheit der Christen zu allererst eine Frage der Versöhnung. Und er hatte im Grunde recht, denn wir, die anderen, fragen uns viel zu wenig, ob wir bereit sind, den Preis für diese Einheit zu zahlen. Verdient eine Versöhnung, die uns nicht im eigenen Fleisch trifft, überhaupt ihren Namen?

Man sagte ihm nach, er würde nicht theologisch denken. Aber sah er nicht viel klarer als jene, die dies behaupteten? Seit Jahrhunderten hielten es die Christen für nötig, ihre Spaltungen zu rechtfertigen. Sie haben die Gegensätze künstlich vergrößert. Ohne sich darüber im Klaren zu sein, haben sie sich zu Rivalen entwickelt und aus den Augen verloren, was eigentlich mit ihnen geschah. Sie haben nicht „durchgeblickt“. Die Einheit erschien ihnen unmöglich.

Frère Roger war ein wirklichkeitsnaher Mensch. Er berücksichtigte, was nicht zu verwirklichen ist, insbesondere aus der Sicht der Institutionen. Aber er konnte nicht dabei stehen bleiben. Die Unschuld verlieh ihm eine ganz eigene Überzeugungskraft, eine Art Sanftmut, die sich niemals geschlagen gab. Bis zum Ende sah er die Einheit der Christen als eine Frage von Versöhnung. Versöhnung indessen ist ein Schritt, den jeder Christ tun kann. Würden sie tatsächlich alle vollziehen, wäre die Einheit ganz nahe.

Es gab ein anderes Feld, auf dem dieser Ansatz Frère Rogers spürbar war und man seine Persönlichkeit mit ihrem radikalen Einschlag vielleicht noch besser wahrnahm: Alles, was einen Zweifel an der Liebe Gottes wecken konnte, war ihm unerträglich. Hier stößt man auf jenes ganz unmittelbare Begreifen der Dinge Gottes. Nicht daß er sich geweigert hätte nachzudenken, aber er spürte in sich ganz stark, daß eine bestimmte Redeweise, die angemessen sein will, – z.B. über die Liebe Gottes – in Wirklichkeit verdunkelt, was die Menschen von dieser Liebe erwarten.

Daß Frère Roger nachdrücklich auf der tiefen Güte des Menschen bestanden hat, ist im selben Licht zu sehen. Er machte sich keine Illusionen über das Böse. Er war eher verletzlicher Natur. Aber er hatte die Gewißheit, daß ein liebender und verzeihender Gott sich weigert, auf das Böse zurückzukommen. Jedes echte Verzeihen läßt den Grund des menschlichen Herzens aufleben, jenen Grund, der für die Güte gemacht ist.

Den Philosophen Paul Ricœur hat diese Betonung der Güte beeindruckt. Er sagte uns einmal in Taizé, er erkenne in ihr den Sinn der Religion: „Den Bodensatz an Güte im Menschen befreien, ihn dort aufspüren, wo er völlig verschüttet ist.“ In der Vergangenheit lief eine bestimmte Art christlicher Predigt immer wieder darauf hinaus, daß die Natur des Menschen von Grund auf schlecht sei. Sie wollte sich damit für die reine Selbstlosigkeit des Verzeihens verbürgen. Aber sie hat viele Menschen vom Glauben entfernt; sie hörten zwar, daß über die Liebe geredet wurde, hatten jedoch den Eindruck, daß diese Liebe nur unter Vorbehalt galt und das verkündete Verzeihen nicht restlos war.

Vielleicht liegt hierin das Kostbarste vom Erbe Frère Rogers: der Sinn für Liebe und Verzeihen, zwei Dinge, die für ihn offensichtlich waren, und die er in einer Unmittelbarkeit begriff, die uns oft entging. Auf diesem Feld war er wahrhaft ein Unschuldiger, stets einfach, wehrlos, im Herzen der anderen lesend, zu äußerstem Vertrauen fähig. Sein heller, unbefangener Blick spiegelte dies wider. Er fühlte sich unter Kindern deshalb so wohl, weil sie die Dinge mit derselben Unmittelbarkeit leben und erleben; sie können sich nicht schützen und können nicht glauben, was kompliziert ist; ihr Herz fliegt allem zu, was sie berührt.

Bei Frère Roger blieb der Zweifel nie aus. Deshalb liebte er die Worte: „Laß nicht zu, daß mein Dunkel zu mir spricht!“ Denn das Dunkel waren die Einflüsterungen des Zweifels. Dieser Zweifel konnte jedoch der Evidenz, mit der er die Liebe Gottes spürte, nichts anhaben. Vielleicht verlangte gerade dieser Zweifel nach einer Sprache, die keine Zweideutigkeit offenläßt. Die Klarheit, die ich meine, lag nicht auf der intellektuellen Ebene, sondern, viel tiefer, auf der des Herzens. Und wie alles, das nicht durch kluge Schlußfolgerungen oder mit wohlgefaßten Gewißheiten geschützt werden kann, war diese Evidenz notwendigerweise zerbrechlich.

In den Evangelien stört die Einfachheit Jesu. Manche Hörer fühlten sich in Frage gestellt. Es ist, als kämen die Gedanken ihres Herzens ans Licht. Die klare Sprache Jesu und seine Weise, in den Herzen zu lesen, stellten für sie eine Bedrohung dar. Ein Mann, der sich nicht in Konflikte einbinden läßt, erscheint manchen gefährlich. Ein solcher Mensch fasziniert, aber die Faszination kann leicht in Feindseligkeit umschlagen.

Frère Roger hat mit seiner Unschuld, mit seiner unmittelbaren Wahrnehmung und mit seinem Blick sicher fasziniert. Und ich denke, er hat manchen an den Augen abgelesen, daß die Faszination sich in Mißtrauen oder Aggressivität verwandeln kann. Für einen Menschen, der unlösbare Konflikte in sich trägt, mußte solche Unschuld unerträglich werden. Da genügte es nicht, diese Unschuld zu beleidigen. Sie mußte beseitigt werden. Ein Arzt, der dabei war, als Frère Roger starb, schrieb: „Wenn das Licht zu hell leuchtet, und ich denke, was von Frère Roger ausging, konnte blenden, ist das nicht immer einfach zu ertragen. Dann bleibt nur die Lösung, diese strahlende Lichtquelle auszulöschen, indem man sie beseitigt.“

Ich wollte diese Gedanken niederschreiben, weil sie es gestatten, eine Seite der Einheit im Leben Frère Rogers herauszustellen. Sein Tod hat auf geheimnisvolle Weise besiegelt, was er immer war. Denn er wurde nicht für eine Sache getötet, für die er einstand. Er wurde für das getötet, was er war.

von Frère François, Taizé

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Annemarie Buhr, in Hamburg geboren, kam als Vakanzvertretung 1964/1965 nach ihrem Dienst als Gefängnispastorin in Hamburg in die St. Michaels-Gemeinde nach Stelle.

Eine UNSELIGE Auflage der Landeskirche war die Verpflichtung, nicht zu heiraten.

Es war eine für Frauen in der evangelischen Kirche schwierige Zeit. Sie durfte ihr Amt in der hannoverschen Landeskirche nur unter Aufsicht von Probst Mahr wahrnehmen. Dabei war sie in der ländlichen Gemeinde gerade für uns Jugendliche eine besondere Bereicherung. Plötzlich erschien - was es heute nicht mehr gibt - in den sonntäglichen Gottesdiensten viele junge Menschen. Da es noch kein Gemeindehaus gab, stellte sie uns einen Kellerraum im Pfarrhaus als Treffpunkt zur Verfügung.

Bei manchen in der Vergangenheit behafteten  Gemeindemitgliedern, aber auch unter Mitgliedern des Kirchenvorstandes hatte es die Pastorin, die im Sommerkleid auf der Diele eines Bauernhauses beim Erntedankfest erschien keinen leichten Stand.

Für die Gemeinde insgesamt aber war sie ein Segen. Sie rief einen Kirchbauverein ins Leben,  der  die  dringend  nötige  Renovierung durch den  Verkauf  von  "Bausteinen" wesentlich unterstützte.    Unermüdlich warb sie.   Einem Bauern, der - wie eben bei  durchaus vermögenden Menschen manchmal möglich - "sich nicht in der Lage sah, etwas Geld beizusteuern", wollte sie auch gern ein Schwein als Spende abnehmen. Sie war speziell - in vielerlei Beziehung.

Dass die Renovierung von St. Michael in mancherlei Hinsicht misslang, lag aber eher an den Vorgaben des Landeskirchenamtes und seiner Architekten, die eher seltsame Pläne verfolgten.



Einweihung St. Michael mit Schlüsselübergabe durch La Sup Andersen.

Bis 1971 wirkte sie zum Segen für diese Gemeinde. Nach 1971 wechselte sie in den Zonenrandbereich zur  Kirchengemeinde Schnega. In dieser Zeit erlitt sie einen extrem schweren Unfall. Er zwang sie in den Ruhestand. Sie nahm ihren Altersruhesitz in Adendorf bei Lüneburg und in den Wintermonaten auf Grund ihrer starken Schmerzen bei Kälte oder Nässe nach Goodyear in Arizona.

Bei einem unserer Besuche in Adendorf erkannte sie nur noch mich, ihren Sohn, den sie einfach so "adoptiert" hatte. Barbara war für sie eine fremde Frau geworden.   Annemarie Buhr, die zeitlebens über die Auflage der Nichtehe traurig war, erkrankte an Demenz.

Sie vermachte ihr Reihenhaus der örtlichen Kirchengemeinde und siedelte in ein Altenheim am Ort über. Bei meinem Besuch lachte sie schon von weitem, aber dann sprach sie mich mit "wie schön, dass sie (das alte mein Sohn und DU war verschwunden)  gekommen sind" an. So grausam kann die Demenz sein. Nach vier Wochen wollten wir uns wiedersehen.

Aber dazu kam es nicht mehr. Annemarie Buhr verstarb am 3. Mai 2008.



Zur Beisetzung war kein offizieller Vertreter der ev. Kirche erschienen. Die Amtskirche, die ihr ein persönliches Lebensglück verweigert hatte, war nicht vertreten. So wurde es eine extrem kleine Trauerfeier. Pastor Kai Uwe Hecker aus Stelle, Diakon Ewald Nill und seine Ehefrau Karla, Vikarin Katrin Deutsch, die Familie von Friseur Behr aus Stelle. Dazu die Töchter ihrer engsten Freundin aus Kitzingen, zwei, drei alte Weggefärten und die Gemeindepastorin von Adendorf  - wir standen am Grab.


                                        

Bei Gott bin ich geborgen.mp3

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Der schon jung zum Halbwaisen gewordene Daffa lernt als Ziegenhirte den Missionar Wassmann aus Hermannsburg kennen. Zunächst hat er den Wunsch Löwen- und Elefantenjäger zu werden - und dann möchte er Richter sein. In dieser Zeit kommen Hermannsburger Missionare nach Aira. Daffa lehrt sie die Stammessprache Oromo, hilft wo er kann und darf,  lernt Lesen und liest als erstes Buch die Bibel. Nun will er unbedingt auch ein Pastor werden. Die Mekane Yesus Kirche hat seinen Lebenslauf in englischer Sprache aufgeschrieben. Ich habe ihn unverändert eingefügt.

Unsere Familie ist seit jeher eng mit der Hermannsburger Mission in Äthiopien verbunden. So steht - ich bin noch ein kleiner Junge -  dieser "große, stolze schwarze Mann" in unserer Steller Kirche. Gleich nach dem Krieg ist das für unsere Kirchengeinde etwas ganz aufregendes. Wer ihm die Hand geben kann, schaut gleich nach, ob er vielleicht auch abfärbt. Der Gottesdienst muss zusätzlich in einen nahegelegenen Saal übertragen werden Daffa fasziniert...



                                         Daffa vor der Sakristeitür in Stelle


Daffa Jammo (Kes)
1910 to 2002
Ethiopian Evangelical Church Mekane Yesus (EECMY)
Ethiopia


Kes (Priest) Daffa Jammo was one of the church fathers in Aira, Wollega, and carried great responsibility for the churches during the Italian occupation.

Daffa Jammo was born in in 1910 in the small village of Kannawo, found between Gimbi and Dembi Dollo in Wollega. His father's name was Jammo Chali and his mother's Baji Yodo and he was the sixth of nine children. His father, a peasant farmer, died when he was young and, as the last child-his three younger siblings having died in infancy-he grew up in suffering and hardship. But he was loved by the family and had many nicknames. At age eleven, he began to make raincoats from straw like his neighbors and raised money to buy chickens to tend. Then he became a goat shepherd. In addition, he began selling water and onions to make more money. As a fatherless young man he tried his best to make ends meet.

Daffa had two wishes as a young boy. He wanted to have a reputation like others in his area known for their bravery in killing elephants and lions. His second wish was to be a judge so that he could listen to people's problems and find solutions to relieve them from their suffering. He was interested in the correct translation of languages, especially in judicial matters. During that time Lutheran missionaries were establishing a mission station at Aira. Daffa heard that the missionaries were there to open a school. This interested him so he and his friend Faisa Oncho went to the missionaries to ask for work. They were given jobs even though Daffa was just fifteen years old at the time. He cut wood and began to teach the Oromo language to the missionaries. He also purchased milk and food and at times acted as a guard for the missionaries. They began to call him "the honest guard." He was just nineteen when they gave him this nickname.

One of the first missionaries, Pastor Wasseman, learned of Daffa's integrity and developed a relationship with him. Daffa taught Wasseman Oromo while Wasseman taught Daffa German and both were successful in their language-learning endeavors. As a result, they prepared a small Oromo-German Dictionary. They also developed teaching material on catechisms of the Christian faith. Wasseman taught Daffa how to pray and both put their efforts together and translated German songs into Oromo. When he was twenty-two years old (October 1933), on Wasseman's recommendation, Daffa went to Addis Ababa for two years of teacher training and obtained his diploma. Afterwards, he returned to Aira and began to assist Pastor Wasseman in teaching. At age twenty-five Daffa was ordained as the first Ethiopian pastor in the Lutheran Church. This took place during the Italian occupation.

Because of the war, the missionaries were told to evacuate their families from Ethiopia. Pastor Wasseman took his wife and children to Gambella to send them to Germany via Sudan. On his way back to Aira, Wasseman passed through Dembi Dollo and spent the night there in the American mission compound. During the discussion about the current problems they faced, the American missionaries mentioned an orphan girl who lived with them and had no place to go to when the students left for their villages when the mission compound was evacuated. At this point Pastor Wasseman remembered that his co-worker Kes Daffa Jammo was single and suggested that the orphan girl be given in marriage to the young priest. He also told them that he was going to give Daffa the responsibility of caring for the Aira mission compound. The American missionaries told Pastor Wasseman that the orphan girl, Kannatu Karorsa, was a devout Christian girl raised in their compound. These missionaries agreed to this marriage and the ceremony took place in January 1936. This was the first Christian wedding ceremony at the Aira church. The couple was blessed with nine children. Their first child died at age two but the names of the other eight were Samuel, Paulos, Girma, Hana, Aberash, Daniel, Tsion, and Deribe.

During the Italian occupation, while Aira mission compound was under Daffa's care, there was much looting. He protected the compound by making thorny fences around it and dug caves and surrounded it by rocks. He also sent rumors to the bandits that he would kill them if they tried to attack the mission compound.

Kes Daffa had learned some basic medical treatment from the Germans and gave first-aid to many who were wounded by the bandits. People from the vicinity also came to him for dental care. He went to Yubdo and Gimbi to treat the sick. Because of his faithfulness and commitment to his work, the Italians living in Gimbi and Yubdo referred to Daffa's name with respect and admiration.

With the missionaries gone, Kes Daffa served as a pastor to the evangelical Christians in Wollega and persevered in the midst of opposition both from bandits and from Orthodox Christians who disturbed the peace by telling the people to oppose the work of missionaries. Kes Daffa preached positively about the mission work. As a result, the missionaries were able to contribute to the community through health, education, and gospel teaching. As the first pastor, Kes Daffa also carried the message of the gospel to many places in Wollega by foot and by mule. He was able to establish thirty churches in which hundreds and thousands of believers worshiped the Lord.

Kes Daffa has written twenty-seven books only six of which were published during his lifetime. The other twenty-one are in the process of being published. His children are attempting to establish a memorial foundation that would encourage the local area in which their father served (2004).

 

He died of old age at age 92 on February 28, 2002.

Dirshaye Menberu



Auf dem Bild rechts: Pastor Daffa mit Ehefrau und Sohn, links daneben Hermann Hornbostel - zweiter von links Daffa's Förderer - Missionar Dietrich Waßmann.


Als unser Vater im Jahr 2000 stirbt, sammeln wir auf seinen Wunsch hin für die Hermannsburger Mission.   Längst werden andere Einrichtungen von der Gemeinde unterstützt. Aber in unserer Familie stehen die mittellosen Menschen am Krankenhaus in Aira im Focus. Da Pastoren in der Mekane Yesus Kirche keine Pension im Alter bekommen, entscheiden wir, dass ein Drittel der Sammlung Daffa direkt zukommen soll. Das restliche Geld soll von der Mission in Äthiopien verwandt werden. Um Kosten zu sparen, nimmt ein pensionierter Missionar das Geld persönlich mit und übergibt es an Daffa. Um zwei Jahre hat er unseren Vater überlebt. Für Menschen in Äthiopien hat er ein biblisches Alter erreicht.

Sein Sohn war der in der "Eine-Welt-Bewegung" engaierte Dr. Paulos Daffa. Er überlebt seinen Vater nur um 5 Jahre.

 


 Seine Ehefrau Dr. Sabine Klocke-Daffa lehrt weiterhin an der Universität Münster.

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